Donnerstag, 27. November 2014

Wann eine Arbeitsverweigerung legitim ist

Arbeitnehmer können nicht ohne weiteres Aufgaben ablehnen, die sie in religiöse Gewissenskonflikte bringen. Das entschied kürzlich das Arbeitsgericht Freiburg. Geklagt hatte eine Auszubildende der Stadtverwaltung, die sich zuvor geweigert hatte, eine Fasnachtsfeier vorzubereiten. Diese Aufgabe widerspreche ihrer religiösen Überzeugung als Angehörige der Zeugen Jehovas. Ihr Arbeitgeber reagierte darauf mit einer Abmahnung.
Dagegen klagte die Auszubildende. Vor Gericht hatte sie mit ihrer Klage jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht Freiburg gestand der Frau zwar zu, dass ihre Gewissensfreiheit tangiert worden sei, das müsse sie allerdings hinnehmen. Sie habe schließlich bereits bei ihrer Einstellung gewusst, welche Aufgaben bei der Stadtverwaltung einer Fasnachtshochburg auf sie zukommen würden, begründeten die Freiburger Richter ihr Urteil. Und tatsächlich: Die junge Frau hatte bei Arbeitsbeginn zwar darauf hingewiesen, dass sie Zeugin Jehovas sei. Sie erwähnte dagegen jedoch nicht, dass sie aufgrund ihrer religiösen Überzeugung grundsätzlich bestimmte Aufgaben nicht übernehmen würde (Az.: 13 Ca 331/09).

Nicht alles ist zumutbar

Im Regelfall verpflichtet ein Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer dazu, die ihm zugewiesenen Tätigkeiten auch zu erledigen. Wenn er das nicht tut, verletzt er eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis. Der Vorgesetzte darf dann zunächst eine Abmahnung aussprechen. Im Wiederholungsfall kann er dem Angestellten auch kündigen. In bestimmten Fällen hat der Arbeitnehmer jedoch das Recht, die Leistung gegenüber seinem Arbeitgeber zu verweigern.


Wenn ihm die Erbringung der Arbeitsleistung persönlich unzumutbar ist, kann er sich auf die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches berufen (§ 275 Abs. 3 BGB). Als unzumutbar gilt beispielsweise, wenn die berufliche Tätigkeit die eigene Gesundheit erheblich gefährdet oder sogar das Leben bedroht. Die Rechtsprechung erkennt auch familiäre und persönliche Gründe an. Dazu gehören etwa die Versorgung schwer kranker Angehöriger oder die Betreuung des eigenen Kindes. Auch dringende Arztbesuche können ein berechtigter Grund sein, die Arbeitsleistung vorübergehend als unzumutbar zu verweigern.
Die Nichtvereinbarkeit mit Glauben und Gewissen kann ebenso als Grund für eine Arbeitsverweigerung herangezogen werden. Doch gerade hierbei kommt es häufig zu Konflikten. Schließlich geht es dann um sehr persönliche Überzeugungen, die nicht von jedem geteilt oder nachvollzogen werden. Der Arbeitgeber darf solche Überzeugungen aber nicht einfach ignorieren, da sich der betroffene Arbeitnehmer auf die im Grundgesetz verankerte Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen kann.
Zudem sind beide, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, verpflichtet, die Grundsätze von Treu und Glauben sowie der gegenseitigen Rücksichtnahme unter dem Leitprinzip der wechselseitigen Toleranz zu beachten. Im Rahmen seiner allgemeinen Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber – der sein Direktionsrecht nur in den Grenzen billigen Ermessens ausüben darf – sogar dazu verpflichtet, das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.
Daher kann er ihm auch keine Tätigkeit zuweisen, die diesen in einen persönlichen oder religiösen Gewissenskonflikt bringt. Die Rechtsprechung geht dabei von einem sogenannten subjektiven Gewissensbegriff aus. Das bedeutet, dass nur zu beurteilen ist, ob und wie schwerwiegend das Gewissen des einzelnen Arbeitnehmers berührt ist. Es geht nicht darum, ob diese Gründe für andere auch nachvollziehbar sind. Geschützt ist danach jede ernstliche sittliche, also an den Kategorien von "gut" und "böse" orientierte Entscheidung, die der einzelne Arbeitnehmer in einer bestimmten Lage als für sich bindend und verpflichtend ansieht. Es ist Sache des Arbeitnehmers, darzulegen – und im Streitfall vor Gericht zu beweisen –, dass es ihm wegen einer Gewissensnot nicht zuzumuten ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Unbezahlte Arbeitsbefreiung

In der Rechtsprechung wurde beispielsweise ein Leistungsverweigerungsrecht anerkannt, als ein Mitarbeiter eines Zustelldienstes die Aufgabe ablehnte, eine Postwurfsendung mit ausländerfeindlichem Inhalt zu verbreiten. Recht erhielt auch ein Kriegsdienstverweigerer, der als Mitarbeiter einer Druckerei keine Schriften drucken wollte, die den Krieg verherrlichen. Ein Arzt durfte sich weigern, an der Entwicklung von Medikamenten mitzuarbeiten, die im Nuklearkriegsfall verwendbar waren. In diesen Fällen war eine Abmahnung oder Kündigung nicht gerechtfertigt. Allerdings steht einem Arbeitnehmer für die infolge des Gewissenskonflikts ausgefallene Leistung auch kein Lohn zu. Es handelt sich immer um eine Arbeitsbefreiung ohne Lohnanspruch.


Bei solchen Entscheidungen wägen die Gerichte die Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ab. Ziel ist es, einen Ausgleich zwischen der Gewissensfreiheit und der Vertragspflicht zu finden. Zugunsten des Arbeitgebers spricht dabei in der Regel, wenn der Gewissenskonflikt für den Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss vorhersehbar war. In diesem Fall kann jener nicht im Nachhinein die Arbeit verweigern und sich auf sein Gewissen berufen.
Dieses Kriterium war auch für das Urteil in Freiburg ausschlaggebend. Die Freiburger Richter waren der Meinung, dass die Klägerin bereits im Einstellungsgespräch erfahren hatte, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung auch Aufgaben der Fasnachtsvorbereitung zu erfüllen hat. Spätestens jetzt hätte sie erklären müssen, dass sie diese Arbeiten nicht übernehmen wollte. Der Arbeitgeber hätte dann seinerseits wählen können, ob er diese Aufgaben auf Dauer anderen Mitarbeitern überträgt oder die Bewerberin unter diesen Umständen lieber gar nicht erst beschäftigt.
 

 

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